Samstag, 22. Juli 2017

Die Gebrüder Zehnbauer - Feldpostkarte Johann Heinrich Zehnbauer, 05.07.1916 (09_004)

"...Jetzt sind wir in Verdun 2. Da ist auch nicht schön..."

Beschreibung der Lage an der Somme

Diese Karte fällt durch die vereinfachende und beschönigende Darstellung des Krieges und der Kämpfe auf, in die die Einheit verwickelt gewesen sein muss. Ein weiteres Mal bezieht Johann Heinrich sich auf die Unterbringung der Pferde und erwähnt das eigentliche Kriegsgeschehen nur beiläufig.

„Adressat: An Frau Johann Heinrich Zehnbauer, Bensheim a.B., Wormserstraße 19; 
Text: Mons an der Somme, 05.07.1916, Liebe gute Frau! Hier ist eine Ansicht von dem Stall vom 2. Beritt. Es ist schade, dass es nicht mein Beritt ist. Wo ich über den Brief hingemacht habe, da steht Otto Rothermel. Da kannst du mal sehen, wie wir damals vor Verdun unsere Ställe gebaut hatten. Jetzt sind wir bei Verdun 2. Da ist auch nicht schön, liegen hier auch im Freien und müssen des Nachts fahren, das passt mir nicht. Die paar Tage Ruhe haben mich schon verwöhnt.  
Mit herzlichem Gruß und Kuß Dein Dich liebender Mann, Auf Wiedersehen“

Ungewöhnlich an dieser Feldpostkarte ist zum einen die Abschiedsformel, die zusätzlich zu dem normalen Abschiedsgruß hinzugefügt worden ist. Kein anderes Schriftstück trägt diese Wortwahl. Zum anderen ist eines der wenigen Schriftstücke in denen Johann Heinrich so deutlich sein „Unbehagen“ über die Zustände äußert. Die Härte der Kämpfe, die zu diesem Zeitpunkt an der Somme stattfinden, zeigen sich zum einen im Vergleich mit den Erlebnissen in Verdun und zum anderen in der Tatsache, dass die Fahrten der Munitionskolonne in der Nacht erfolgen müssen[1]. Die Schilderungen in der Chronik sprechen von unentwegtem Artilleriefeuer, welches die deutsche Seite massiv unter Druck setzt.

Das Motiv der Postkarte deckt sich mit dem der Feldpostkarte vom 08.12.1916 (05_004). Es zeigt das Waldlager während der Schlacht bei Verdun, in die das Bataillons, laut Chronik, vom 4. April bis 10. Juni verwickelt war. Ein weiteres Bild (11_007 vom 26.06.1916) zeigt die Hütten, die sich die Soldaten im Wald bei Verdun errichtet hatten.

Bild zeigt Waldlager in Verdun

In der Chronik wird der 2. Juli als Eintritt des Bataillons in die viermonatige Schlacht an der Somme genannt, der für die Batterien nebst Kolonnen in den ersten Tagen ein ständiges Verlegen der Standorte bedingt. Der Weg führt auch über Mons en Chaussee und deckt sich somit mit den Angaben in Zehnbauers Karte. Vierzehn Tage nach der der Karte vom 05.07.1916, dies zeigt ein Bild in der Chronik, welches sich auch zweimal im Nachlass Zehnbauers finden lässt (16.12.1916 (07_003) und 12.12.1916 (02_004)), wird das „Lager der Kolonne 2/22 im Bois de Croix“ bezogen.[2]

Dieser Ort stellt seit dem 19. Juli das Lager des gesamten Bataillons, mit Ausnahme der 2. Batterie, dar und wird sukzessive ausgebaut:

„[…] Zunächst schlägt man wieder die Zelte auf und kampiert bei Mutter Grün. Im Laufe der nächsten Wochen aber wird das Lager immer mehr ausgebaut, man schafft Laubhütten und Baracken und hat Gelegenheit und Zeit genug, sich immer gemütlicher einzurichten. Denn unser Bleiben hier sollte noch lange währen! Wenn man auch einen sehr weiten Anmarschweg zu den Batterien hat und zum Tränken der Pferde und zum Waschen hinunter nach Falvy an die Somme reiten muß, so ist man hier in dem Lager — abgesehen von den öfters Besuch machenden feindlichen Fliegern — vorläufig ziemlich unbehelligt und kann bei der eingerichteten Ablösung immer wieder einmal ein oder zwei Tage ausspannen von der nervenzerrüttenden Arbeit an der Front, die Tag und Nacht höchste Anforderungen an alle Batterieangehörigen stellt. 
Denn auch die zweite Julihälfte zeigt ganz den Charakter der ersten schweren Tage in der Sommeschlacht: Tag und Nacht dieselbe zermürbende Trommelei — Artilleriemunition braucht der Gegner nicht zu sparen — immer wieder neue Einzelstöße, die durch unser Sperrfeuer eingedämmt werden und dem Gegner meist nur bescheidenen Geländegewinn bringen. Sperrfeuer und immer wieder Sperrfeuer ist die Losung auch für die nächsten Wochen.[…]“[3]
Somit decken sich die knappen Hinweise in Johann Heinrichs Karten – er spricht von „Verdun 2“ – mit denen der Chronik, die die Situation an der Somme beschreiben. Allein im Monat Juli verschießt das Bataillon 18.964, im August 16.944, im September 23.661, im Oktober 29.496 Schuss[4]. Nach viermonatigen Kämpfen wird das Bataillon, ausgenommen die erste Batterie, abgelöst. Die Bilanz ist verheerend:
„21 Tote, 33 Schwerverletzte und 64 Leichtverwundete hat das Bataillon während der Sommeschlacht zu beklagen! Die Verluste an Pferden und Material sind groß gewesen. Jede Batterie hat wohl 4 Garnituren Geschütze verbraucht. Die bei der Überbeanspruchung des Materials gebrochenen Vorholfedern sind gar nicht zu zählen“.[4]
Die 2. Batterie, also die Einheit Johann Heinrichs, hat in diesen vier Monaten 28.280 Schuss verfeuert, insgesamt verbrauchte das Bataillon 91.565 Granaten.

NL_Zehnbauer_09_004.jpg; Nachlass Zehnbauer, Bensheim; Adressat: An Frau Johann Heinrich Zehnbauer, Bensheim a.B., Wormserstraße 19; Mons an der Somme, 05.07.1916, Liebe gute Frau! Hier ist eine Ansicht von dem Stall vom 2. Beritt. Es ist schade, dass es nicht mein Beritt ist. Wo ich über den Brief hingemacht habe, da steht Otto Rothermel. Da kannst du mal sehen, wie wir damals vor Verdun unsere Ställe gebaut hatten. Jetzt sind wir bei Verdun 2. Da ist auch nicht schön, liegen hier auch im Freien und müssen des Nachts fahren, das passt mir nicht. Die paar Tage Ruhe haben mich schon verwöhnt. Mit herzlichem Gruß und Kuß Dein Dich liebender Mann; digitalisiert und transkribiert: Frank-Egon Stoll-Berberich 2017 ©.

NL_Zehnbauer_09_004.jpg; Nachlass Zehnbauer, Bensheim; Adressat: An Frau Johann Heinrich Zehnbauer, Bensheim a.B., Wormserstraße 19; Mons an der Somme, 05.07.1916, Liebe gute Frau! Hier ist eine Ansicht von dem Stall vom 2. Beritt. Es ist schade, dass es nicht mein Beritt ist. Wo ich über den Brief hingemacht habe, da steht Otto Rothermel. Da kannst du mal sehen, wie wir damals vor Verdun unsere Ställe gebaut hatten. Jetzt sind wir bei Verdun 2. Da ist auch nicht schön, liegen hier auch im Freien und müssen des Nachts fahren, das passt mir nicht. Die paar Tage Ruhe haben mich schon verwöhnt. Mit herzlichem Gruß und Kuß Dein Dich liebender Mann; digitalisiert und transkribiert: Frank-Egon Stoll-Berberich 2017 ©.


"Mons an der Somme" - Standort, der in der Feldpostkarte genannt wird





Links und Literaturhinweise

[1] Filtzinger, Ph. (1933): Seite 136f.
[2] Filtzinger, Ph. (1933): Bilder 358f.
[3] Filtzinger, Ph. (1933): Seite 145.
[4] Filtzinger, Ph. (1933): Seite 172f.


© Frank-Egon Stoll-Berberich, 2017, Alle Rechte vorbehalten.


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